Wenn mich mal wieder die Lust auf einen Spaziergang in gepflegter Umgebung überkommt, schlüpfe ich je nach Jahreszeit in meine Shorts oder Winterstiefel und fahre mit der 62er Tram in Richtung südöstlichem Ende der Wendenschloßstraße bis zur Haltestelle Lienhardweg. Ob strahlender Sonnenschein, bunte Herbstfarben oder frisch gefallener Schnee - Lungen und Sinnen wird einiges geboten. "Villenkolonie Wendenschloß", für die man eine bekannte Werbefloskel leicht verändert anbringen kann: Wohnst du noch oder residierst du standesgemäß. Eine Umgebung, in der ich gerne wohnen würde, leider klappt dies nur in meiner Vorstellung.
Die Villenkolonie Wendenschloß liegt eingebettet vom Langen See im Süden, der Dahme im Westen, dem "Wiesengraben" im Norden und beginnt in der Wendenschloßstraße auf Höhe des Lienhardsweg`s. Unter den kühlenden Schatten hochgewachsener Bäume verschiedener Arten flaniert man an großzügig gebauten Villen aus den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts sowie aus der jüngeren Zeit des Milleniumwechsels entlang. Der Kontrast aus Alt und Neu bildet für mich einen großen Anteil an der Anziehungskraft der Kolonie. Aus den liebevoll gepflegten Gärten ist mannigfaltiges Gezwitscher der Vogelwelt zu hören. Am südlichen Ende der Wendenschloßstraße beginnt das Möllhausenufer, wo auf Höhe der Straße "Zum Langen See" ein Uferweg mündet, der bis kurz vor dem Strandbad Wendenschloß am Langen See entlang führt.
Die Dahme wird in diesem Abschnitt vielfach als "Wendische Spree" bezeichnet, so von Theodor Fontane in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".
Auch für prominente Persönlichkeiten wie Gustav Hertz (Kernphysiker und Nobelpreisträger für Physik 1925), Rosa Thälmann und Armin Mueller-Stahl (wohnte bis zu seiner Übersiedlung nach Westberlin 1980 in Wendenschloß), war die Kolonie ein beliebter Wohnsitz. Bekanntester heutiger Bewohner des Viertels ist der langjährige ehemalige Intendant des Berliner Ensemble, Claus Peymann.
Auch geschichtlich ist das Viertel bedeutsam - am 5. Juni 1945 wurde in der Niebergstr. 20, dem damaligen Hauptquartier Marschall Georgi Schukow´s, die "Berliner Erklärung" durch die Oberbefehlshaber der vier alliierten Besatzungsmächte unterschrieben. Damit übernahmen die Siegermächte die oberste Regierungsgewalt im Gebiet des deutschen Reiches. Zur gemeinsamen Ausübung der Verwaltung Deutschlands bildeten sie den "Alliierten Kontrollrat", der erst mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten durch den "Zwei-plus-Vier-Vertrag" aufgelöst wurde, bis dahin war er formal noch für ganz Berlin zuständig.
Die Wendenschloß-Villenkolonie erreicht man am besten mit der ältesten durchgehend befahrenen Straßenbahnlinie Berlins, der Linie 62 oder alternativ besonders romantisch mit der Fährlinie F12 von Grünau aus über die Dahme.
Der Name "Wendenschloß" stammt im übrigen nicht von einem gleichnamigen Schloß - es gab nie eines. Ende der 1880er Jahre wurde von dem Fährmann Wöse das Gasthaus Wendenschloß oder Wendenschlößchen errichtet. Der Name des Lokals wurde auf die entstehende Villenkolonie übertragen und 1905 durch einen Beschluss des Magistrats von Cöpenick amtlich festgelegt.
Bei meiner Fotoexpedition traf ich auf eine intakte Nachbarschaft, die auch einmal nachfragte, weshalb ich Aufnahmen der Häuser machte. Eine durchaus angebrachte Frage, die ich gerne beantwortete.
Letzendlich fand ich doch noch mein Wendenschloß, ein Baumhaus an der Ecke "Möllhausenufer/Ostendorfstraße"...
Weitere Informationen auf den Internetseiten von Wikipedia – Wendenschloß, Berliner Erklärung
Stand 5.12.2017
von R.L.
Wegbeschreibung
Mit der 62er Tram in Richtung südöstlichem Ende der Wendenschloßstraße bis zur Haltestelle Lienhardweg.
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