Müggelwald

Müggelschlößchen am Spreetunnel

Ich will mal wieder raus, in die Natur und heut zum Müggelsee, er ist der größte Berliner See. An seinen Ufern gingen steinzeitliche Jäger auf Fischfang und Jagd, wie Archäologen zu belegen wissen. Der kürzeste Weg zu Fuß ist für mich der Strandweg und ich begebe mich aus Richtung Krankenhaus Köpenick kommend auf ihm durch den Köpenicker Forst. Links und rechts des Weges ist alles naturbelassen, nach dem ich den Kienappel- und den Chausseweg hinter mir gelassen habe und nur Einzäunungen oder Hinweisschilder auf das Trinkwasserschutzgebiet lassen noch die Zivilisation erkennen.Der Weg verjüngt sich und wird teilweise zum Trampelpfad. Sogar die Spuren der Wildschweine verschwinden, denn hier ist kaum menschlicher Unrat zu finden. Das Rufen, Zwitschern oder Singen der Vögel zaubert immer ein Lächeln auf mein Gesicht und einmal hab ich bisher auch Rehe entdeckt, bevor sie mich sehen konnten. Es ist einfach Natur pur, ich setze mich ab und zu auf Baumstümpfe oder umgefallene Bäume und genieße. Dieses Genießen erklärt auch, dass ich oft längere Zeit bis zum See brauche, 20 Minuten braucht der geübte Wandersmann bis zu den kühlenden Fluten. Wer möchte, kann sich dann hineinstürzen, noch ist das Ufer offen für Jedermann, Schilfgegenden sollten gemieden werden, um die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.
Und nun stellt sich mit einem Blick zum Himmel immer die Frage: Nach Norden oder nach Süden weiter am Ufer? Je nach Wetter und Zeitplan wähle ich. Gehe ich weiter nach Norden komme ich bald zum ehemaligen Standort des Müggelschlößchens.
1652 erstmals urkundlich als Fischerhütte erwähnt, entstand hier nach und nach ein Gasthaus und Theodor Fontane beschrieb es 1860/61 mit den Worten: „Es freut das Herz, so an der Müggel zu sitzen und die leise Musik von Wald und Wasser um sich her, die Stunden zu verträumen.“ und attestierte mit „Gasthaus erster Klasse“. 1872 erwarb der damalige Besitzer der Friedrichshagener Brauerei diese Landzunge, es begann die Erfolgsgeschichte eines der ehemals beliebtesten und größten Ausflugslokale Berlins. Am 15. Mai 1873 öffnete das „Müggelschlößchen“. Restaurant, Wintergarten, zwei Kegelbahnen,ein eigener Eiskeller und Bootsverleih.
Als 1932 das Flugschiff DO-X D-1929 auf dem Müggelsee landete, sollen mehr als 100.000 Besucher eingekehrt sein. Da wäre ich gern dabeigewesen, doch angesichts des folgenden Krieges lieber nicht.
Im April 1945 wurde es bei einem Bombenangriff zerstört und nie wieder aufgebaut. Ich wurde danach geboren und gehe oft immer noch vorhandene Treppenstufen auf und ab, viele sind überwachsen und immer weniger Zeitzeugen erinnern sich.
Auch Efeu rankt sich über die Grabstätte des "Schlößchens", leise und unaufhaltsam, so scheint mir. Warum nach dem hoffentlich letzten Weltkrieg hier kein Ausflugslokal mehr gebaut wurde, kann man nur mutmaßen. An Interesse seitens der Bürger wird es nicht gefehlt haben, wie heute auch nicht, nur ist es immer noch nicht im städtebaulichen Konzept vorgesehen. Die Eigentumsverhältnisse sind seit 2015 nach einer Zwangsversteigerung der Landzunge endlich geklärt. Viele hoffen, dass dieses wunderschöne Ausflugsziel wieder mit einer Gastwirtschaft gekrönt wird. Was lange währt, wird gut, sagt der Volksmund.
Nach einer kleinen sentimentalen Phase unterquere ich die Müggelspree in dem 1927 fertiggestellten Spreetunnel. Über mir verlässt sie den Müggelsee in Richtung Dahmemündung, um dann wieder als Spree ihren Lauf durch die Hauptstadt Berlin zu nehmen. Es ist derzeit der einzige Fußgängertunnel unter der Spree, Für Fahrräder sind an den Seiten der Treppen schmale Streifen vorgesehen, auf denen die Räder hoch- bzw. heruntergeschoben werden können. Vorher ermöglichte dort seit 1894 eine Prahmfähre (durch zwei dampfmaschinenangetriebene Ketten gezogen) den Transfer zur gegenüberliegenden Uferseite.
Eine Fähre z.B. für Rollstuhlfahrer gibt es hier nicht mehr.
Der Tunnel ist 5m breit, 120m lang und OK 4m unter dem Wasserspiegel.
Angelangt in Friedrichshagen besuche ich die Weiße Villa, denn der Magen knurrt.
Doch diese feine Lokalität gehört zu einem anderen Lieblingsort.
Zufrieden und gesättigt lass ich mich von den Berliner Verkehrsbetrieben nach Hause bringen.

von U.L.

Wegbeschreibung
Tram 27, 60, 61, 67
Bus 165, X69,169, 269