Museum Treptow

Der Deutsche Kolonialismus in Afrika

Das 1991 gegründete Museum Treptow befindet sich etwas eingeengt im zweiten Stock des ehemaligen Rathauses von Johannisthal. Ein wuchtiges, aber ansehnliches Gebäude im Stil der Neorennaissance, welches 1906 erbaut und 2005/2006 denkmalgerecht rekonstruiert wurde. Im wesentlichen werden dokumentarische Ausstellungen, manchmal in Zusammenarbeit mit anderen Berliner Kulturinstitutionen präsentiert, die sich mit der Bezirksgeschichte, beispielsweise der Industrieansiedlung oder dem alten Flughafen befassen.
Im Internet wurde ich auf die Sonderausstellung „ZURÜCKGESCHAUT – Die erste deutsche Kolonialausstellung 1896„ aufmerksam, die seit dem 13.10.2017 in Zusammenarbeit mit der „Initiative schwarze Menschen in Deutschland„ ( ISD BUND e.V. ) und dem Verein Berliner Postkolonial in den Museumsräumlichkeiten realisiert wurde. In Anlehnung an diese Berliner Gewerbeausstellung von 1896, die sogar die Weltausstellungen in London und Paris übertreffen wollte, sind aktuell nur noch die Oberbaumbrücke und die Archenhold-Sternwarte als Überbleibsel in Berlin zu sehen. Nun also diese kleine Museumsausstellung in Treptow zur Thematik des deutschen Kolonialismus, der damalig mit spektakulären Hüttendörfern aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern und dem Südseedorf Tarawai einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert wurde. Insbesondere standen die 106 dunkelhäutigen Männer und Frauen und Kinder die eigens zu Ausstellungszwecken nach Berlin verfrachtet worden waren, im Fokus der zwei Millionen Besucher, die teils mit Ferngläsern ausgerüstet, argwöhnisch den Alltag wie Handwerksarbeit, Festlichkeiten oder Essenszubereitung der Fremdlinge vom schwarzen Kontinent beäugten.
Schrifttafeln, die nun im Treptower Museum hängen, ist zu entnehmen, dass man die damaligen Gäste aus den deutschen Kolonien verhältnismäßig gut behandelte, damit sie nach der Rückkehr in ihre okkupierten Heimatländer gut über das Land ihrer Kolonialherren berichten sollten. Andere Schrifttafeln zeigen aber auch die Untaten, die Kriege und Verbrechen bishin zum Völkermord an den Hereros von 1904-1907 in der Kolonie Deutsch Südwest Afrika, dem heutigen Namibia, auf. Ein Raum der bescheidenen Präsentation widmet sich ganz den 106 damalig noch lebendigen Ausstellungsobjekten, deren Namen und Lebensläufe bekannt sind. Das gesamte Projekt ist als „work in progress„ angelegt und bietet auch der breiten Öffentlichkeit an, sich durch Recherchen oder Ergänzungen an dem Projekt zu beteiligen.
Aus der Zeit, als ich noch germanischer Knirps im zivilisierten deutschen Abendland war, dämmern mir langsam Text und Melodie der Zehn kleinen Negerlein, die bis heute als deutsches Liedergut nicht totzukriegen sind. Eine Reminiszens an alte Kolonial – und Südwestherrlichkeiten. Die Zehn kleinen Negerlein, sie haben sich totgeschossen, totgegessen, totgetanzt, und totgetrunken und meiner Kindheitsgeneration war dieses rassistische kleine Lied vom Tod zur poetischen Ertüchtigung freigegeben, unzählige eigene Verse bilden zu dürfen, in denen „Gott erbarme dich„ weitere Tausende von kleinen Negerlein phantasievoll grausam von uns, als wohl erzogene Kinder, im Geiste zu Tode gebracht und besungen wurden. Für uns Kinder war das alles ein Spiel, wie auch für die besonderen Exemplare unter uns, deren Eltern sich hartnäckig in Toleranz übten, wenn ihr Sprössling sich zu Fasching in ein orientalisch anmutendes weißes Gewand einhüllte, mit aufgesetztem Turban und Plastikkrummsäbel bestückt sein Gesicht mit schwarzer Schuhwixe eincremen ließ, weil er frisch und froh gelaunt als Negerlein wie der kleine Muck durch die Narrenzeit hüpfen wollte. Auch gab es zu dieser Zeit rassistisch kulinarische Genüsse für uns Racker, beispielsweise die Sarottischokolade mit drei kleinen Negern als Werbeaufdruck oder die sahnigen, bappig süßen Negerküsse. Schon bald in Zigaretten gedreht oder in der Pfeife geraucht wurde dann der Tabak mit den fünf kleinen Negerlein der Firma "Schwarzer Krauser", und aus dem Umfeld der Erwachsenen waren kompromisslose Wertungen zur zappelig modernen Negermusik oder zu der weißen Negerhure aus der Nachbarschaft, die einen Bastard im Kinderwagen durch das Sudetenviertel schob, zu vernehmen. Rückblickend in die Dreißiger, im lebenslustigen Berlin, wurde es mit der dunkelhäutigen Josephine Baker nicht so genau genommen, da verfielen manche der meist männlichen Besucher schon einmal in Schnappatmung, wenn der barbusige Weltstar im knapp gehaltenen Bananenröckchen nicht nur die Bühnenbretter der Tanzlust zum vibrieren brachte.
Noch weiter rückblickend zur Entwicklung deutscher Kolonialtäterschaft ist kurz erwähnt das Jahr 1871 von Interesse. Der preußische König Wilhelm I. wurde im Schloß Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Damit verlor er die preußische Königskrone, da Preußen sich nun in dem neu errichteten deutschen Nationalstaat auflöste. Wilhelm der I. berief seinen vormaligen preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck zum Reichskanzler und Außenministers, der seine künftige Politik alleinig vor dem Kaiser und nicht etwa im Reichstag zu verantworten hatte. Mit einer geschickten Bündnispolitik wollte Bismarck nach dem dtsch. franz. Krieg den friedlichen Status Quo in Europa beibehalten. Noch 1881 erklärte er in aller Öffentlichkeit „solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik“. Der deutsche Sieg über Frankreich gab den Kolonialplänen einflußreicher Politiker und Lobbyisten jedoch neuen Auftrieb, so dass bei den Friedensverhandlungen auch französischer Kolonialbesitz als Kriegsentschädigung für Deutschland zur Debatte standen.
Da als Einzelpersonen nur schwerlich mit Regierungen zu verhandeln ist, bildeten sich private Kolonialhandelsunternehmen, wie die Deutsch – Ostafrikanische Gesellschaft oder die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika, die jedoch bereits nach kurzer Zeit staatlich unterstützt werden mussten oder der Staat die Schutzgebiete in Kronkolonien wandelte und somit Hauptanteilseigner wurde. Bereits 4 Jahre nach der Errichtung erster deutscher Schutzgebiete in Afrika polterten Parlamentarier im Reichstag, dass die Kolonialpolitik bereits über 100 Millionen Mark an Reichsgelder verschlungen hätte. August Bebel, Sozialdemokrat und SPD Abgeordneter brachte es auf den Punkt. Um die Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung in vollem Umfang und möglichst ungestört betreiben zu können, sollten aus den Taschen des Reiches, aus den Taschen der Steuerzahler Millionen verwendet werden, sollte die ostafrikanische Gesellschaft mit den Mitteln des Reiches unterstützt werden, damit ihr Ausbeutungsgeschäft gesichert wird.
Schade, dass zum neuerlich entwickelten Neokolonialismus, der Aubeutung armer Länder durch Privatinvestoren unter staatlichem Schutz, in der Ausstellung im Treptower Museum kaum etwas zu erfahren ist. Hierzu wären insbesondere die Themen Entwicklungsarbeit als Erfüllungsgehilfe wirtschaftlicher Interessen, Landgrabbing, also Landraub für die Errichtung von Monokulturen, die Installation von Sonderwirtschaftszonen durch Korruption in armen Ländern und staatlich verbürgte
Ausfallgarantien für entgangenen Profit oder Verlust der Investition zu erwähnen. Was dies für arme Länder bedeutet, zeigen die seit Jahren ansteigenden Flüchtlingszahlen, die Vergiftung von Land, Luft und Wasser, die Bürgerkriege, die steigenden Zahlen von Waffengebrauch und Drogenmißbrauch und letztlich die Zerstörung nicht nur von Familien sondern von gesamten Kulturkreisen. Mit welchem Rechtsempfinden die modernen, die reichen und zivilisierten Länder zu Werke gehen und sich öffentlich darstellen, sei hier letztlich am Beispiel von drei namhaften deutschen Politikern dargestellt.
Peter Struck – seinerzeit 2009 deutscher Verteidigungsminister. Zitat: „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt„. Konkreter äußerte sich Horst Köhler, deutscher Bundespräsident 2004 – 2010 bei einem Truppenbesuch in Afghanistan, Zitat: „Dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege...“ Nach anhaltender öffentlicher Kritik meinte unser Staatsoberhaupt, dass er wohl falsch verstanden worden sei. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 äußerte sich in einem schriftlichen Interview Bundeskanzlerin Merkel zur aktuellen Thematik deutscher Entwicklungsarbeit. Zitat : „Wir haben Afrika zu einem Schwerpunkt unserer G20 Präsidentschaft gemacht. Ziel ist es unter anderem, mehr private Investitionen für afrikanische Partnerländer zu generieren, die vor Ort zu nachhaltiger Entwicklung und Beschäftigung beitragen“.
Im Hinblick auf diese zynischen, fast bedrohlichen Statements deutscher Spitzenpolitiker, deren heimatliche Territorialscholle mit circa 2,2 Billionen Schuldeneuro merkantil kontaminiert danieder liegt, kann eine dokumentarische Ausstellung einen Beitrag dazu leisten, aufzuzeigen, aus welchen Quellen sich der Reichtum der Mächtigen generiert hat und die auch weiterhin beabsichtigen, die halbe Weltbevölkerung an der Teilhabe von Wohlstand und Frieden auszuschließen.


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von MiRi

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Johannisthal Kirche