... sollte man nicht haben, wenn man mit auf diese Tour kommen will.
Der Bezirk Lichtenberg sticht ja hervor in Berlin durch seine vielen Industriebauten und sein weitverzweigtes Schienennetz. Fabrikgebäude wechseln ab mit langen Unterführungen- und Brücken- unter bzw. über die Gleise.
Manche bezeichnen das auch als Tristesse. Ich dagegen sage: „Lichtenberg hat den Blues.“
Wer von Euch hat jetzt gerade Lust auf Industriefeeling pur? Dann gebe ich Euch den Rat, schwingt Euch aufs Fahrrad, und fahrt mir hinterher. Besonders sollten sich die Eisenbahnfreaks unter Euch angesprochen fühlen.
Vom S-Bahnhof Ostkreuz kommend biegen wir rechts in die Neue Bahnhofstraße ein, danach wieder rechts in die Boxhagener und fahren die Marktstraße runter, bis sie zur Hauptstraße wird. Hinter der S-Bahnunterführung geht es links die Hauptstraße runter, bis sie Köpenicker Chaussee heißt.
Als nächstes wird links in den Blockdammweg eingebogen. Die kleine Brücke über die Bahngleise befindet sich ein Stück weiter den Blockdammweg hoch auf der linken Seite, und weil sie sehr versteckt liegt, ist sie bloß den Anwohnern der umliegenden Straßen bekannt.
Nirgends wird mir so bewußt, in was für einer Weltmetropole ich lebe, wie hier in den Momenten, wenn ich auf dieser Brücke stehe und dieser beunruhigende, ungezähmte Industriemoloch unter meinen Füßen liegt. Das ist Großstadtfeeling pur.
Die Brücke ist eigentlich mehr ein Brückchen (sehr schmal, aber dafür lang und sehr hoch) und verbindet die Sangestraße mit dem Schiedeberger Weg. Am Tage weichen sich die Fußgänger und Fahrradfahrer auf der schmalen Brücke bloß mißmutig aus und haben keinen Blick für die Aussicht.
Nachts, abends und am Wochenende ist es dort aber sehr ruhig und romantisch. Dann ist es ein Platz, an dem man sehr gut mit sich und seiner Stadt allein sein kann, und das Mitbringen von Musik und Getränken ist ausdrücklich erwünscht.
Auf dem schmalen Wellblechdach, das auf der einen Seite der Brücke den Ausblick verstellt, sitzen auch manchmal in heißen Sommernächten ein paar mutige Mädchen mit einer Flasche Wein. Sie schauen von oben aus schwindelerregender Höhe auf die Gleise runter und philosophieren über das Leben (bzw. reden über Männer). Man mag sich gar nicht ausmalen, was die Verbindung von Alkohol mit jugendlichem Leichtsinn anrichten könnte.
Da rauf zu klettern habe ich mich noch nie getraut (Höhenangst). Ich würde es aber sehr gern einmal versuchen. Einen überkommt schon ein eigenartiges Hochgefühl und ein Adrenalinschub, wenn man da oben steht und das Gewirr der Bahnschienen und Strom- und Signalleitungen tief unter sich liegen sieht. Etwas ähnliches hat mir mal jemand über Paragliding erzählt.
Vielleicht ist ja auch Fernweh im Spiel, ich denke da an meine seit langem geplante und immer wieder aufgeschobene Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Ich bin wohl im tiefsten Innersten auch so ein Eisenbahnfreak wie Sheldon aus der Big Bang Theorie. Ich liebe ihn übrigens (Scherz).
Ehe ich hier noch lange verzweifelt nach den richtigen Worten suche, probiert es einfach selber aus, ihr werdet es nicht bereuen.
von Tanja
Wegbeschreibung
Das Ziel befindet sich zwischen den S- Bahnstationen Rummelsburg und Karlshorst. Eine genaue Wegbeschreibung ist im Text erhalten.
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