Von Köpenick kommend über die Lange Brücke führt es mich oft in die ehemalige Köllnische Heide.Mit der Vereinigung von Cölln und Berlin gelangte die Köllnische Heide 1709 in den Besitz der Stadt. Als Flurbezeichnung verwies der Name auf die weitläufigen Wald- und Wiesengebiete linksseitig der Spree zwischen Cölln und dem südöstlichen jetzigen Köpenick. Die erste linksseitig der Spree entstandene Vorstadt von Köpenick wurde dann ebenfalls als Köllnische Vorstadt benannt. In Anlehnung der in der jetzigen Grünauer und Schönlinder Straße 1752 ansässig gewordenen Kolonisten entstand 1765 eine Kolonie mit 44 Seelen und so mag vielleicht auch die Bezeichnung Köllnische Vorstadt entstanden sein, offiziell rührt der Name aber von der Köllnischen Heide her. Die jetzige Oberspreestraße teilt die damalige Köllnische Heide in das heutige Spindlersfeld und die Köllnische Vorstadt.
Spindlersfeld ist eng verbunden mit der Spindlerfamilie, die das sinnbildliche Erbe der Mutter Lustig als erste Wäschereibesitzerin in der Altstadt Köpenicks mit der Gründung einer Großwäscherei und chem. Reinigung auf jetzigem Spindlersfelder Grund weiterführte. Die Spindlerfamilie erwarb von Fräulein Adelheid von Flemming den dafür notwendigen Grund und Boden. Und damit sind wir bei dem Dritten der sieben Köpenicker Weltwunder.
Das Erste ist das in der „Freiheit“, einer Straße in Altköpenick, um die Jahrhundertwende angesiedelte Gefängnis und das Zweite der „Ratskeller“ des damaligen Rathauses von Köpenick, der sich in der ersten Etage, die über eine Außentreppe zu betreten war, befand.
Fräulein Adelheid von Flemming soll 80-jährig den evangelischen Jünglingsverein gegründet haben, dies war und bleibt für viele ein Wunder. Sicher ist, dass sie diesen Verein gefördert hat, sie war in Köpenick als Mäzenin bekannt und wirkte auf vielen Gebieten wohltätig. Die Flemmingstraße und ein Stück des Mentzelparks erinnert an diese über Köpenick hinaus bekannte Gutsherrenfamilie. Am 20.07.1832 in Garzin b. Buckow geboren und am 14.11.1907 in Berlin verstorben fand sie ihre letzte Ruhestätte auf dem Köpenicker Friedhof in der Köllnischen Vorstadt.
Auf diesen Spuren wandele ich nun. Ampelgetrieben schlendere ich über den Köllnischen Platz, das Köpenicker Schloß auf der anderen Seite der Dahme aus dem Blickfeld verlierend, in Richtung Friedhof.
Ich spähe durch die Fenster einer alten Raucherkneipe, „Zu Hause“ nennt sie sich, hole mir ein Stück frisch gebackenen Kuchen in einer kleinen alten Bäckerei in neuem Gewand und fühl mich wie inmitten Berlins im Alten Friedrichshain. Ich schaue neugierig in Hinterhöfe, bewundere die Feinheiten der alten Fassaden, schlicht und schön, die Rudower Straße. Die meisten Bewohner waren nach der Jahrhundertwende Arbeiter und Angestellte, die bei Spindler, anderen Betrieben und Handwerkersmeistern beschäftigt fanden. Darüberhinaus ist im nahen Schöneweide Anfang des 20.Jahrhunderts eine bedeutende Industrie entstanden, die Tausende Arbeitskräfte benötigte.
Unweit von hier, in der Glienicker Straße, gibt es das Vierte Köpenicker Weltwunder- ein kluger Lehrer namens Dummer unterrichtete an einer noch heute dort existierenden Schule. Dieser kam 1915 im Alter von 64 Jahren im Rektorzimmer plötzlich zu Tode, als er unvermittelt zusammenbrach.
Die Köpenicker waren und sind ein einfallsreiches Völkchen, auch wenn es um die Vermarktung ihres großartigen Standortes geht. Und es kommt noch besser. Ich bin nun am Friedhof angekommen und suche zunächst nach dem Fünften Köpenicker Weltwunder, dem „Krankenhaus am Friedhof“ und als ob es nicht schon genug ist, damit ist das Sechste Köpenicker Weltwunder verbunden - der Leiter des Krankenhauses war lange Jahre ein Dr. Todt.
Das Krankenhaus und viele andere soziale Bauten wurden mit Geldern der Familie Spindler errichtet, die sich um die Gesundheit ihrer ArbeiterInnen und deren Genesung besonders bemühten. So gab es in Spindlersfeld auch ein (Erholungshaus). Das liegt sicher auch in der Fabrik selbst begründet, denn der Umgang mit Chemikalien war zu dieser Zeit noch sehr gefährlich und forderte selbst in der Familie Spindler seinen tragischen Tribut.
Nun nehme ich doch erstmal die Friedhofsruhe in mir auf und setze mich auf eine der bereitgestellten Bänke. Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung haben mir die Bauten des kleinen Krankenhauses gezeigt, daran komme ich später noch vorbei.Der Friedhof gehört seit 1883 der St. Laurentius- Kirchengemeinde. Eine Mitarbeiterin der Friedhofverwaltung, die auch ehrenamtlich im Heimatverein tätig ist, führt mich zu einem kleinen Mausoleum, welches auch als Ruhestätte von Adelheid von Flemming gilt. Da zum Ende des Zweiten Weltkrieges das alte Gebäude der Friedhofsverwaltung von einer Brandbombe getroffen wurde, sind nicht mehr alle Unterlagen zur Belegung der Friedhofes vorhanden. Dem Kirchenregister zu Folge aber ist Frl. Flemming auf diesem Friedhof beerdigt worden. Ich bedanke mich freundlich für die aufschlussreichen Auskünfte und wandele weiter auf den Spuren interessanter Persönlichkeiten, die Köpenick so zu bieten hat. An den Friedhofsmauern kann man vielfach Familiengeschichten erahnen, sie ziehen mich immer wieder magisch an, verraten sie doch eine ganze Menge über die Geschichte Köpenicks.
So liegt hier auch die Familie des Schlächtermeisters Martin begraben, dessen Spuren im Luisenhain zu finden sind. Seit dem 06. April 1909 war die "Rind- und Schweineschlachterei Martin" eines der bekanntesten Geschäfte in Köpenick, heute befindet sich dort das sehr empfehlenswerte Restaurant „Luise“. „Wenn Sie im Tresenraum genau auf den Boden schauen, werden sie noch den Ring entdecken, eingelassen in den Boden, an den gekettet die armen Viecher darauf warteten, vom Schwein/Rind zum Filet gemacht zu werden.“ So steht es auf der Speisekarte der „Luise“.
Zurück zum Friedhof, wie selbstverständlich liegt hier auch das Siebente Köpenicker Weltwunder begraben, der langjährige Bürgermeister Borgmann. Er hat Köpenick 35 Jahre (1871-1906) als Bürgermeister gedient. Mit seinem Namen ist die moderne Infrastruktur der Kommune verbunden, darunter eine elektrische Straßenbahn und ein modernes Wasserwerk in den Müggelbergen. Mit dem Bau des Köpenicker Rathauses hat sich Borgmann ein bleibendes Denkmal gesetzt, bei wem er sich wohl das Geld dafür geborgt haben mag?
Und nun geht’s zum ehemaligen Krankenhaus am Friedhof. Es sind einzelne, an kleine Fachwerkbauten erinnernde Gebäude, die schon mit Rampen für den Transport von Kranken versehen wurden. Den Patienten, durch einen Blick aus den Fenstern auf den Friedhof sehr nahe erscheinende Tod, verhalf der promovierte gleichnamige Stadtarzt Dr. Adolf Todt (1848-1902) 28 Jahre lang zur Genesung - wie oft, ist nicht überliefert.
Mit der Eröffnung des Kreiskrankenhauses Teltow 1914 ( heute DRK-Klinik Köpenick) wurden die Gebäude fortan als Altenheim genutzt und heute erfreuen sich Familien an den bunten Fassaden eines Kindergartens.
Und schon bin ich in der Westendstraße, somit auch so gut wie am Ende der Köllnischen Vorstadt angekommen, die direkt zurück auf die Oberspreestraße und mich dort zu Gaumenfreuden führt.
Ein altes Restaurant, in dessen ehemaligem Vorgarten auch der Hauptmann von Köpenick gern Platz nahm, lädt zum Verweilen ein, die Gaststätte zum Hauptmann von Cöpenick. Endlich mal wieder alte deutsche hausgemachte Küche mit dem Hauptmannbier... Unter www.gaststaette-zum-hauptmann-von-koepenick.de finden sie noch viele Informationen zur Köllnischen Vorstadt und über Köpenick.
von U.L.
Wegbeschreibung
Rathaus Köpenick zu Fuß über Lange Brücke
Bus 165, 164
Tram 61,63
S Spindlersfeld
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